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Interessanter Clubabend

Drei Bundesrichter in einem Club

Die Lions Clubs sind auch in unserem District ausgesprochen heterogene Gruppen, in der völlig unterschiedliche Berufsgruppen vertreten sind. Eine Besonderheit hat dabei ganz sicherlich der Club Ludwigsburg-Favorite. Drei seiner aktiven Mitglieder sind bzw. waren Richter am Bundesgerichtshof, dem höchsten Gericht des Landes, in Karlsruhe.

Als Jens Rommel jetzt seinen Vortrag über seine Arbeit am Bundesgerichtshof hielt, waren insgesamt zwei Bundesrichter im Saal und das Interesse natürlich groß. Jens Rommel ist 51 Jahre alt, leitete von Oktober 2015 bis Anfang 2020 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Seit 2017 ist er im Lions Club Ludwigsburg-Favorite und seit Februar 2020 Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe und demzufolge hat er seinen Wohnsitz natürlich in die Residenzstadt verlegt. Mit seinem kürzlich erfolgten Wohnortwechsel nach Bad Herrenalb ist er inzwischen zwar wieder ins Württembergische („knapp 400 m bis zur Grenze“) zurückgekehrt – die Entfernung nach Ludwigsburg hat sich allerdings nicht verändert.

Fast vier Jahre gehört Jens Rommel jetzt zu den höchsten Richtern der Republik und setzt damit die Tradition des Lions-Clubs fort: Gerhard Schäfer war von 1989 bis 2002 Richter am Bundesgerichtshof, Uli Hebestreit von 2000 bis 2012. Woher diese Besonderheit kommt? „Reiner Zufall“, sagt Jens Rommel.  

Insgesamt sind es 153 Richter, die am Bundesgerichtshof beschäftigt sind mit Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten. Es gibt 19 Senate, davon sind sechs dem Strafrecht zugeordnet. Der 4. Senat, dem Jens Rommel angehört, ist vornehmlich tätig im Bereich Schwerkriminalität und Verkehrsdelikte. Beim Bundesgerichtshof wird allerdings nicht mehr wegen des Deliktes verhandelt, sondern geprüft werden ausschließlich das Urteil bzw. das Verfahren. Jeweils fünf Richter eines Senates entscheiden – und erst falls keine Einstimmigkeit herrscht, wird quasi nochmals verhandelt – aber auch dann nur wegen Fehler beim Urteil oder beim Verfahren.

Das eigentlich ausschließlich papierene Verfahren ist auch nach drei Jahren noch gewöhnungsbedürftig. „Ich habe zwar ein Telefon in meinem Büro – aber niemand ruft an“, erzählt Jens Rommel, der dann seine Arbeit anschaulich an einem Fall der Praxis (Verkehrsdelikt) erzählt. Ein Autofahrer raste mit 163 km/h durch die Stuttgarter Innenstadt, verursachte einen Unfall mit zwei unbeteiligten Todesopfern. Fahrlässige Tötung (Höchststrafe 5 Jahre Freiheitsentzug) oder Mord (zwingend lebenslang) war die Frage, gegen das Urteil wegen fahrlässiger Tötung legten die Angehörigen der Opfer Revision, die aber vom 4. Senat des Bundesgerichtshofes zurückgewiesen wurde, weil keine Mordmerkmale (wie Heimtücke) vorlagen, sondern weil das Landgericht (ohne Rechtsfehler) einen Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hatte

Den 60 Minuten Vortrag folgte eine spannende Diskussion mit Themen wie Vertragsdauer („Richter am Bundesgerichtshof ist man auf Lebenszeit“), politische oder sonstige Einflussnahme („gibt es nicht“), Zeitdruck („der ist gegeben, den machen wir uns selbst“) und über das Verhältnis papierenes Verfahren und Verhandlung, weil keine Einstimmigkeit im Senat herrscht („Verhandlung ganz selten“).

Das Fazit über die Arbeit am Bundesgerichtshof zog Jens Rommel selbst: „Mein Beruf ist reizvoll an Inhalten – aber reizarm an Kontakten.“

Links zum BGH-Urteil:

https://www.esv.info/aktuell/bgh-bestaetigt-urteil-des-lg-stuttgart-gegen-autoraser-wegen-teilnahme-verbotenem-rennen/id/113243/meldung.html

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021058.html

Bundesrichter unter sich

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